Kurzbericht von der XXII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz

Die Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin ist dafür bekannt, in Kontakt mit Gruppen und Organisationen zu treten, die sich unter anderem solidarisch mit linken und alternativen Prozessen in Lateinamerika zeigen. Zudem werden immer wieder interessante Gäste aus Lateinamerika eingeladen. So auch dieses Mal…

Als referierende Gäste begann Jean Wyllys, Mitglied im brasilianischen Nationalkongress von der Partido Socialismo e Liberdade. Nach Ausführungen zu seiner Biographie erzählte er vom Putsch in Brasilien, der vorrangig von der Elite und von den Medien getragen wurde. Elementar war der Hass auf die Linke und Minderheiten, auch die Frauenfeindlichkeit und Rassismus wurden dadurch geschürt. Die wirtschaftliche und soziale Krise betrifft vor allem die Ärmsten der Gesellschaft, während die Elite davon versucht zu profitieren. Doch auch mit Kritik an der PT, besonders deren teilweise neoliberales Konzept, sparte er nicht.

Über den Friedenprozess in Kolumbien sprachen Guillermo Quintero, Dokumentarfilmer aus Mexico, dann Alberto Pinzón, Exilierter aus Kolumbien der den Friedensprozess von 1999 bis 2002 begleitete sowie der deutsche Journalist und Lateinamerikakenner André Scheer. Zuvor gab es eine Grußbotschaft der Guerilla FARC-EP an die Teilnehmenden der Konferenz. Alle machten deutlich, dass die internationale Solidarität für den Frieden und Kolumbien wichtig seien, gerade aktuell, in der der rechte Paramilitarismus wieder steigt.

Aus Kuba berichtete die junge Journalistin Arlín Alberty Loforte. Sie ist stellvertretende Direktorin der Tageszeitung Granma und Leiterin von Granma Internacional. Sie referierte über den aktuellen Stand der kubanischen Gesellschaft und besonders über die Rolle der jungen Generation. Dazu gab es dann auch gleich kritische Nachfragen, wie eine junge Generation in Zeiten der Öffnung und des steigenden Tourismus zum Sozialismus und der PCC als führende Kraft steht. Dazu noch der Hinweis, dass die Granma Internacional auf Deutsch nun vom Verlag 8. Mai aus Berlin hergestellt wird und die deutsche monatlich erscheinende Ausgabe hier natürlich auch abonniert werden kann.

Gepaart wurde das Programm der Referenten mit Kulturprogramm, so zum Beispiel durch den chilenischen Songwriter Nicolás Miquea, der über Linke und Musik sprach. Neben dem Konferenzsaal präsentierten sich auch die unterschiedlichsten Gruppen und Organisationen im Foyer des Veranstaltungsortes. Mit dabei natürlich auch Cuba Sí, mit denen Tierra Unida bereits eine Veranstaltung organisierte. Die Konferenz ist also ein Ort, Kontakte zu festigen und zu knüpfen, aber sich auch über die neuesten Entwicklungen, nicht nur in Lateinamerika, zu informieren.

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Gesundheitsprojekt in Salitre (Ekuador)

Seit 1997 gibt es von Tierra Unida ein Gesundheitsprojekt im Süden von Ekuador in der Nähe der Großstadt Guayaquil. Die Gegend von Salitre, wo der Arzt Dr. Galo Alvear lebt und arbeitet, ist das wichtigste Reisanbaugebiet in Ekuador. Die Region Salitre ist geprägt von Wasser und Reisfeldern. Die Bevölkerung ernährt sich hauptsächlich von Reis und Fisch. Als das Projekt im Jahr 1997 mit deutschen Geldern anfing, konnte sich ein Großteil der Bevölkerung keinen Arzt leisten bzw. war die Infrastruktur an Hospitälern und Krankenstationen nur ungenügend ausgeprägt.

Doch wie kam es eigentlich zu dem Projekt? Da müssen wir noch ein wenig weiter zurück blicken. Im Jahr 1990, als Jeanne, ein Mitglied von Tierra Unida mit Freunden im Rahmen der lutherischen Kirche in El Salvador unterwegs war. Sie befanden sich mitten in einem vom Bürgerkrieg betroffenen Land. So kamen sie als Besuch in eine Partnergemeinde im damals durch die Guerilla besetzten Gebiet. Mit den nötigen staatlichen Genehmigungen, und als Pastoren und Katecheten verkleidet, verbrachten sie einen Abend mit der dortigen Bevölkerung. Auf dem abendlichen Heimweg wurden sie von starken Regenfällen überrascht und mussten in einem Holzhaus Unterschlupf suchen. Dort traf sie auf Mitglieder der Guerilla FMLN und in stundenlangen nächtlichen Gesprächen über Gewaltlosigkeit, Friedensvisionen und Gandhi lernte Jeanne den noch heute für das Gesundheitsprojekt engagierten Dr. Galo Alvear kennen. Er war Chirurg aus Ecuador und versuchte mit primitivster Ausrüstung den Kämpfern und der Dorfbevölkerung zu helfen.

Während einer gefährlichen Aktion am nächsten Tage trennten sich ihre Wege für viele Jahre in denen Jeanne immer wieder versuchte über Mittelsmänner einen Kontakt herzustellen. Erst 1993 bekam sie Antwort und zum Jahresende 1994 war Dr. Galo Alvear in Potsdam. Er hatte sich in Salitre eine kleine Poliklinik aufgebaut und brauchte noch einige medizinische Geräte und andere Ausstattungsgegenstände, die er gratis im Klinikum Ernst von Bergmann und in der Charité erhalten konnte. Tierra Unida sammelte alles in den Vereinsräumen und machte es versandfertig, um es einer internationalen Speditionsfirma zu übergeben. Eineinhalb Jahre später konnte ein Mitglied von Tierra Unida zum ersten Mal die so ausgestattete Poliklinik in Salitre begutachten. Dabei entstand die Idee zu unserem jetzigen Gesundheitsprojekt.

Während Ende der 1990er Jahre, also mit dem Beginn des Gesundheitsprojektes, unter anderem auch die Ausbildung jungen Frauen aus den umliegenden Gemeinden zu Hilfs- und Krankenschwestern und der Aufbau von kleinen Gesundheitsstationen im Fokus stand, hat sich die Bedarfslage und natürlich auch die Infrastruktur im Gesundheitsbereich in Ekuador verändert. So gibt es zwar eine verbesserte Lage in den Möglichkeiten zur ärztlichen Versorgung, doch für viele Bewohner der Region ist ein Arztbesuch auch weiterhin mit hohen finanziellen Ausgaben verbunden. Mittlerweile liegt der Fokus auf Gesundheitsprävention und Fürsorge, besonders für Schulkinder.

Eine einseitige vitaminarme Ernährung und die auch aktuell noch weit verbreitete Aufnahme von unsauberem Wasser führen besonders bei der Gesundheit der Kinder zu Problemen. Aufgrund von Krankheiten ist ein regelmäßiger Schulbesuch so nur den wenigsten möglich. Die Kinder werden mit nötigen Medikamenten bei Erkrankungen, Mittel gegen Parasiten und Vitaminpräparaten versorgt. Noch immer fährt Dr. Galo Alvear in die umliegenden Dörfer und bietet Untersuchungen und Gesundheitsfürsorge in den Schulen an. Allein im Jahr 2015 kamen bei den 14-tätigen Visiten über 5200 Kinder in den Genuss einer Gesundheitsprävention.

Ich hatte bei meinem Besuch im Jahr 2014 die Möglichkeit, mehrere Tage mit Dr. Galo Alvear zu verbringen, mehr über die Region und seine Arbeit zu erfahren, aber auch bei seiner Arbeit in einer Grundschule in Salitre zu attestieren. Dabei statteten wir über 600 Kindern in ihren Klassen (1. bis 4. Klasse sowie Vorschule) einen Besuch ab. Doch auch richtiges Verhalten, wie vor und nach dem Essen die Hände zu waschen, werden von den Kindern gelernt. Dabei sollen sie auch als Multiplikatoren für ihre Eltern dienen. Die Ausgaben für Fahrten, Medikamente und Vitaminpräparate übernimmt Tierra Unida in Absprache mit Dr. Galo Alvear.

Zuletzt sorgte im April 2016 ein Erdbeben an der Pazifikküste Ekuadors für 550 Tote, schwere Schäden und Risiken im Gesundheitsbereich. Die Sorge vor Epidemien und einer gesundheitlichen Notlage im Westen Ekuadors war groß. So stellte Dr. Galo Alvear mit anderen Personen eine Hilfsbrigade zusammenstellen, die in der kleinen pazifischen Hafenstadt Manta aktiv wurde. Manta ist eine der Städte, die sehr stark vom Erdbeben betroffenen waren. Mit dieser Hilfsbrigaden und weiteren Brigaden wurden Medikamente, aber auch Notküchen besorgt und vor Ort verteilt. Realisiert wurde die humanitäre Notfallhilfe auch durch Spenden, die wir als Tierra Unida gesammelt haben.

Verbrannte Erde in Brasilien – Berichte über Brasiliens neue Agrarfront Matopiba

Präsentation und Gespräch

 

Workers on tractors harvest soybeans in Correntina, northern Brazil, Thursday, April 1, 2010. Brazil is the world's second largest soy producer after the United States and the crop is one of the nation's principal exports. (AP Photo/Andre Penner)
Workers on tractors harvest soybeans in Correntina, northern Brazil, Thursday, April 1, 2010. Brazil is the world’s second largest soy producer after the United States and the crop is one of the nation’s principal exports. (AP Photo/Andre Penner)

Im Jahr 2015 ist im Norden Brasiliens eine Region doppelt so groß wie Deutschland zur neuen Agrarfront erklärt worden – die Region Matopiba. Das Gebiet soll landwirtschaftlich „entwickelt“ und von dort der Weltmarkt mit Soja, Mais und Baumwolle versorgt werden. Im Sinne von Regierung und Agrarwirtschaft soll dazu die weltweit einzigartige brasilianische Savanne in großflächiges Ackerland „transformiert“ werden. Umweltschützer/innen sprechen von einem Kahlschlag mit drastischen Folgen.

Der Staat plant diese Agrarfront mit dem Bau von Häfen und Bahnlinien zum Abtransport der Soja nach Übersee zu unterstützen. Dies mag nicht verwunderlich sein, ist doch Agrarminister Blairo Maggi selbst einer der größten Sojaproduzenten des Landes. Jedoch tauchen in den Plänen der Regierung die Millionen ansässiger Kleinbäuerinnen und Kleinbauern nicht auf.

Durch die Ausweitung der agrarindustriellen Produktion kommt es massenhaft zu Vertreibungen der lokalen Bevölkerung durch den Einsatz von Pestiziden, Bedrohung und Landraub. Derzeit nimmt Brasilien den ersten Platz bei Übergriffen und Morden gegen Menschenrechts- und Umweltaktivisten ein, wie aus einem Oxfam-Bericht vom Oktober 2016 hervorgeht. Von zwei exemplarischen Fällen von Vertreibung wird auf der Veranstaltung ebenso berichtet wie von Formen des Widerstands durch NGOs.

Das „Entwicklungsprojekt“ Matopiba stammt derweil aus der Zeit der linksgeführten Regierung unter Dilma Rousseff (PT) und steht beispielhaft dafür, wie die PT unter Rousseff ihre Basis und Rückhalt auf dem Land verlor. Ein wesentlicher Grund dafür, weshalb sie den parlamentarischen Putsch im vergangenen August politisch nicht überlebte.

Zum Referenten
Mario Schenk war im Rahmen seiner Forschung zu Landkonflikten in Brasilien zuletzt in den Monaten September und Oktober 2016 im Norden Brasiliens. Dort besuchte er Gemeinden, die in der „Entwicklungs-“Region Matopiba liegen. Vor Ort sprach er mit betroffenen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, mit Aktivist/innen aus NGOs und Behördenvertreter/innen.

Kontakt

Postadresse:
Lateinamerika-Arbeitskreis tierra unida e.V.
Schulstraße 9
14482 Potsdam

Mail: info@tierra-unida.de

Mitmachen!
Wir treffen uns in der Regel 1-2 im Monat, immer donnerstags ab 20 Uhr im Potsdamer Buchladen Sputnik in der Charlottenstraße 28.
Jeder mit Interesse an Lateinamerika, mit Fragen oder mit Ideen ist herzlich eingeladen bei uns vorbei zu schauen!!! Schickt uns einfach vorab eine E-Mail, damit wir euch sagen können, wann unser nächstes Treffen stattfindet.

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Wir über uns

Der Verein tierra unida e.V. wurde 1983 in Potsdam gegründet und setzt sich seitdem mit entwicklungspolitischen Themen und Projekten in Lateinamerika auseinander. Dabei werden sowohl politische, soziale, ökologische und kulturelle Themen aus Lateinamerika behandelt als auch Sach- und Geldspenden für Projektpartner z.B. in Ekuador gesammelt. Ziel ist, das Gespräch und den Ideenaustausch zwischen Menschen aus Lateinamerika und Potsdam mithilfe von regelmäßigen Diskussionsrunden, Lesungen, Vorträgen, Konzerten und Projekten zu fördern. Die Projektpartner_innen in Lateinamerika sind dabei wichtige Impulsgeber_innen für eine notwendige Rückkopplung unserer Arbeit. Zudem ermöglichen sie es, die Herausforderungen und Entwicklungen in Lateinamerika konkret mit Betroffenen und Beobachter_innen vor Ort zu analysieren und zu diskutieren.

Tierra unida e.V. unterstützt seit über 20 Jahren ein Gesundheitsprojekt in Salitre, einer ländlichen Region Ekuadors. Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.

Der Verein finanziert seine Arbeit hauptsächlich aus Spendengeldern und ist seit über 30 Jahren verlässlicher Ansprechpartner der entwicklungspolitischen Szene Potsdams.

In unser über 30-jährigen Geschichte haben sich die Definitionen von Solidarität weiterentwickelt. Wir verstehen uns als eine links-alternative Gruppe und setzen uns für den Austausch zwischen den Ländern des globalen Südens – insbesondere den lateinamerikanischen Ländern und des globalen Nordens ein. Dabei ist uns der Austausch auf Augenhöhe, die solidarische Unterstützung von Projekten mit dem Zweck der Hilfe zur Selbsthilfe ein besonderes Anliegen unserer Arbeit.