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Gesundheitsprojekt in Salitre (Ekuador)

Seit 1997 gibt es von Tierra Unida ein Gesundheitsprojekt im Süden von Ekuador in der Nähe der Großstadt Guayaquil. Die Gegend von Salitre, wo der Arzt Dr. Galo Alvear lebt und arbeitet, ist das wichtigste Reisanbaugebiet in Ekuador. Die Region Salitre ist geprägt von Wasser und Reisfeldern. Die Bevölkerung ernährt sich hauptsächlich von Reis und Fisch. Als das Projekt im Jahr 1997 mit deutschen Geldern anfing, konnte sich ein Großteil der Bevölkerung keinen Arzt leisten bzw. war die Infrastruktur an Hospitälern und Krankenstationen nur ungenügend ausgeprägt.

Doch wie kam es eigentlich zu dem Projekt? Da müssen wir noch ein wenig weiter zurück blicken. Im Jahr 1990, als Jeanne, ein Mitglied von Tierra Unida mit Freunden im Rahmen der lutherischen Kirche in El Salvador unterwegs war. Sie befanden sich mitten in einem vom Bürgerkrieg betroffenen Land. So kamen sie als Besuch in eine Partnergemeinde im damals durch die Guerilla besetzten Gebiet. Mit den nötigen staatlichen Genehmigungen, und als Pastoren und Katecheten verkleidet, verbrachten sie einen Abend mit der dortigen Bevölkerung. Auf dem abendlichen Heimweg wurden sie von starken Regenfällen überrascht und mussten in einem Holzhaus Unterschlupf suchen. Dort traf sie auf Mitglieder der Guerilla FMLN und in stundenlangen nächtlichen Gesprächen über Gewaltlosigkeit, Friedensvisionen und Gandhi lernte Jeanne den noch heute für das Gesundheitsprojekt engagierten Dr. Galo Alvear kennen. Er war Chirurg aus Ecuador und versuchte mit primitivster Ausrüstung den Kämpfern und der Dorfbevölkerung zu helfen.

Während einer gefährlichen Aktion am nächsten Tage trennten sich ihre Wege für viele Jahre in denen Jeanne immer wieder versuchte über Mittelsmänner einen Kontakt herzustellen. Erst 1993 bekam sie Antwort und zum Jahresende 1994 war Dr. Galo Alvear in Potsdam. Er hatte sich in Salitre eine kleine Poliklinik aufgebaut und brauchte noch einige medizinische Geräte und andere Ausstattungsgegenstände, die er gratis im Klinikum Ernst von Bergmann und in der Charité erhalten konnte. Tierra Unida sammelte alles in den Vereinsräumen und machte es versandfertig, um es einer internationalen Speditionsfirma zu übergeben. Eineinhalb Jahre später konnte ein Mitglied von Tierra Unida zum ersten Mal die so ausgestattete Poliklinik in Salitre begutachten. Dabei entstand die Idee zu unserem jetzigen Gesundheitsprojekt.

Während Ende der 1990er Jahre, also mit dem Beginn des Gesundheitsprojektes, unter anderem auch die Ausbildung jungen Frauen aus den umliegenden Gemeinden zu Hilfs- und Krankenschwestern und der Aufbau von kleinen Gesundheitsstationen im Fokus stand, hat sich die Bedarfslage und natürlich auch die Infrastruktur im Gesundheitsbereich in Ekuador verändert. So gibt es zwar eine verbesserte Lage in den Möglichkeiten zur ärztlichen Versorgung, doch für viele Bewohner der Region ist ein Arztbesuch auch weiterhin mit hohen finanziellen Ausgaben verbunden. Mittlerweile liegt der Fokus auf Gesundheitsprävention und Fürsorge, besonders für Schulkinder.

Eine einseitige vitaminarme Ernährung und die auch aktuell noch weit verbreitete Aufnahme von unsauberem Wasser führen besonders bei der Gesundheit der Kinder zu Problemen. Aufgrund von Krankheiten ist ein regelmäßiger Schulbesuch so nur den wenigsten möglich. Die Kinder werden mit nötigen Medikamenten bei Erkrankungen, Mittel gegen Parasiten und Vitaminpräparaten versorgt. Noch immer fährt Dr. Galo Alvear in die umliegenden Dörfer und bietet Untersuchungen und Gesundheitsfürsorge in den Schulen an. Allein im Jahr 2015 kamen bei den 14-tätigen Visiten über 5200 Kinder in den Genuss einer Gesundheitsprävention.

Ich hatte bei meinem Besuch im Jahr 2014 die Möglichkeit, mehrere Tage mit Dr. Galo Alvear zu verbringen, mehr über die Region und seine Arbeit zu erfahren, aber auch bei seiner Arbeit in einer Grundschule in Salitre zu attestieren. Dabei statteten wir über 600 Kindern in ihren Klassen (1. bis 4. Klasse sowie Vorschule) einen Besuch ab. Doch auch richtiges Verhalten, wie vor und nach dem Essen die Hände zu waschen, werden von den Kindern gelernt. Dabei sollen sie auch als Multiplikatoren für ihre Eltern dienen. Die Ausgaben für Fahrten, Medikamente und Vitaminpräparate übernimmt Tierra Unida in Absprache mit Dr. Galo Alvear.

Zuletzt sorgte im April 2016 ein Erdbeben an der Pazifikküste Ekuadors für 550 Tote, schwere Schäden und Risiken im Gesundheitsbereich. Die Sorge vor Epidemien und einer gesundheitlichen Notlage im Westen Ekuadors war groß. So stellte Dr. Galo Alvear mit anderen Personen eine Hilfsbrigade zusammenstellen, die in der kleinen pazifischen Hafenstadt Manta aktiv wurde. Manta ist eine der Städte, die sehr stark vom Erdbeben betroffenen waren. Mit dieser Hilfsbrigaden und weiteren Brigaden wurden Medikamente, aber auch Notküchen besorgt und vor Ort verteilt. Realisiert wurde die humanitäre Notfallhilfe auch durch Spenden, die wir als Tierra Unida gesammelt haben.

Wir über uns

Der Verein tierra unida e.V. wurde 1983 in Potsdam gegründet und setzt sich seitdem mit entwicklungspolitischen Themen und Projekten in Lateinamerika auseinander. Dabei werden sowohl politische, soziale, ökologische und kulturelle Themen aus Lateinamerika behandelt als auch Sach- und Geldspenden für Projektpartner z.B. in Ekuador gesammelt. Ziel ist, das Gespräch und den Ideenaustausch zwischen Menschen aus Lateinamerika und Potsdam mithilfe von regelmäßigen Diskussionsrunden, Lesungen, Vorträgen, Konzerten und Projekten zu fördern. Die Projektpartner_innen in Lateinamerika sind dabei wichtige Impulsgeber_innen für eine notwendige Rückkopplung unserer Arbeit. Zudem ermöglichen sie es, die Herausforderungen und Entwicklungen in Lateinamerika konkret mit Betroffenen und Beobachter_innen vor Ort zu analysieren und zu diskutieren.

Tierra unida e.V. unterstützt seit über 20 Jahren ein Gesundheitsprojekt in Salitre, einer ländlichen Region Ekuadors. Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.

Der Verein finanziert seine Arbeit hauptsächlich aus Spendengeldern und ist seit über 30 Jahren verlässlicher Ansprechpartner der entwicklungspolitischen Szene Potsdams.

In unser über 30-jährigen Geschichte haben sich die Definitionen von Solidarität weiterentwickelt. Wir verstehen uns als eine links-alternative Gruppe und setzen uns für den Austausch zwischen den Ländern des globalen Südens – insbesondere den lateinamerikanischen Ländern und des globalen Nordens ein. Dabei ist uns der Austausch auf Augenhöhe, die solidarische Unterstützung von Projekten mit dem Zweck der Hilfe zur Selbsthilfe ein besonderes Anliegen unserer Arbeit.

Christian Raschke beim Gesundheitsprojekt in Ecuador

Als ich im Oktober 2016 einige soziale Projekte und Freunde in Nicaragua und Kolumbien besuchte, da durfte ein Abstecher nach Salitre in Ecuador natürlich nicht fehlen. Immerhin haben wir dort als Tierra Unida unser Gesundheitsprojekt. Drei Tage verbrachte ich im Haus meines Freundes Galo und informierte mich über den Stand des aktuellen Gesundheitsprojektes und auch über die Soforthilfe zum Erdbeben an der Westküste.

Seit mehr als 20 Jahren gibt es bereits Kontakt zum Chirurgen Dr. Galo Alvear, der im Landkreis Salitre lebt und praktiziert. Bis heute werden regelmäßig Besuche in Schulen von drei verschiedenen Landkreisen von ihm durchgeführt. Dabei werden die Schüler mit notwendigen Medikamenten und Vitaminpräparaten versorgt, Gesundheits- und Hygieneaufklärung abgehalten und bei Bedarf Transport und medizinische Behandlung in einem Krankenhaus angeboten. Aktuell ist die präventive Behandlung mit anti-parasitärer Arznei in den Schulen.

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Weiterhin gibt es Aufklärungsunterricht an den Schulen, der explizit auf junge Schülerinnen und Schüler der Primarstufe ausgerichtet ist. Kinder sollen ihr im Aufklärungsunterricht erlerntes Wissen an die Eltern weitergeben. Händewaschen vor und nach den Mahlzeiten, Abkochen des Wassers, die Sauberkeit der Wohngegend und eine ausgewogene Ernährung zählen zu den zahlreichen Tipps, die Galo den Schülern mitteilt.

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Im Vordergrund für dieses Jahr stand jedoch das Thema des Erdbebens und der Soforthilfe, die unter anderem von Galo aus Salitre durch zwei Hilfsbrigaden organisiert wurde. Hierfür erhielt er zusätzliches Geld von Tierra Unida. Auch wenn das Erdbeben die größten Schäden im Westen an der Küste anrichtete, so war auch das Haus von Galo betroffen. Risse an den Wänden, Fliesen die sich ablösten und heruntergefallene Gegenstände waren aber kein Vergleich zu dem, was die betroffenen Menschen an der Küste erleben mussten.

Das Erdbeben in Ecuador Mitte April 2016 war das schlimmste Erdbeben in diesem Land seit Jahrzehnten. Über 550 Menschen kamen ums Leben, Tausende wurden verletzt und obdachlos. Galo organisierte zwei Hilfsbrigaden nach Manta und nach Bolívar. Als Notfallhilfe besorgten sie Notküchen und Gastanks für Bedürftige in der zerstörten Stadt Manta. Zudem wurden Medikamente in zahlreichen Orten kostenlos an die Bevölkerung ausgegeben. Auch weiterhin freuen wir uns über Spenden aus Deutschland, um vor Ort tätig sein zu können.